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Jugend schreibt

Du bist noch lange nicht draußen
Nora Kluck

Lena, 7 Jahre: Ich hab' den kleinen Maulwurf aus der Sendung mit der Maus so lieb. Deshalb habe ich den als Kuscheltier. Ich habe auch noch ganz viele andere Kuscheltiere. Ich mag Tiere. Ich habe auch ganz viele Tierposter an der Wand. Und Poster von Tieren aus Bilderbüchern. Die mag ich auch.

Katrin, 13 Jahre: Mein Gott, hat meine Mutter heute wieder einen Aufstand gemacht. Ich glaube, sie hätte fast geheult. Und das nur, weil ich meine Tierposter abgehängt habe! Es tut mir ja leid für sie, aber ich brauche den Platz an den Wänden. Die Backstreet Boys sind mir nun mal wichtiger als Bambi.
Überhaupt: Ich bin dreizehn, ich bin Teenager. Ich will raus aus meinem Kinderzimmer. Hilfe, überall stehen noch die alten Spielsachen: Playmobilfiguren, Kuscheltiere und der ganze Mist. Was soll ich damit? Jetzt stellt euch mal vor, ich will meinen Freund mit nach Hause bringen. Was soll der denn von mir denken? Nee danke, auf ein Kleinkind-Image kann ich echt verzichten.
Morgen kommt das ganze Zeug erstmal auf den Speicher. Dann kann ich meine CDs sortieren und meine BRAVOs. Dann ist es endlich wieder mein Zimmer und zeigt, wofür ich mich interessiere. Ach ja, die Kinderbücher müssen auch raus. Mary Poppins, das doppelte Lottchen, Pu der Bär – ich glaub‘ es hackt! Und dann die ganzen alten Geburtstagskarten von meinen Eltern und Großeltern. Die kommen erstmal in einen Karton, zusammen mit den Nikolausbasteleien aus dem Kindergarten und den Babyfotos. Ganz zu schweigen von den Kinderkassetten, die von Mozart oder Beethoven handeln.
Ich will kein Kinderzimmer mehr haben! Ich will ein Zimmer, für das ich mich vor meinen Freunden nicht zu schämen brauche. Bei denen liegen schließlich auch keine Kinderzeichnungen mehr rum...

Elli, 15 Jahre: Na klasse, meine Schwester Katrin hat ausgemistet. Erstmal durfte ich natürlich wieder alle Kinderbücher nehmen, die ich ihr damals ausgeliehen hatte. Nur weil sie krampfhaft aus ihrem Kinderzimmer raus will. Was soll ich jetzt mit den Sachen anfangen?
Wie albern sie ist: Sich Backstreet-Boys-Poster aufzuhängen! Das nenne ich kindisch! Bei mir hängen Filmplakate von Filmen, die ich gut finde.
Aber ansonsten ähneln uns unsere Zimmer doch sehr. Musik, Kino und Freunde sind halt wichtig für uns. Und da stehen wir zu.
Unsere Zimmer sind jetzt beide keine Kinderzimmer mehr.
Wenn ich mir dagegen das von unserer kleinen Schwester Lena ansehe: Kleiner Maulwurf, Kleiner Rabe und Sendung mit der Maus. Und dann die ganzen Tierposter! Das ist doch lächerlich. Aber mit sieben darf man das, klar. Sie wird in vier Jahren auch noch erkennen, dass man sich mit so was zum Affen macht.
Die Leute, die ewig an so was festhalten, werden über kurz oder lang zum Außenseiter.

Josi, 18 Jahre: Ach ja, meine kleinen Schwestern sind schon irgendwie niedlich. Während Lena noch vergnügt zwischen ihren selbstgemalten Bildern und Tierpostern wohnt, bekommen Katrin und Elli ihre pubertäre Zimmer-Krise, wie's scheint. Auf einmal ist ihnen nichts mehr wichtig außer den Dingen, die auch ihre Clique anerkennt. Und dann sprechen sie hochtrabend von "ihrem" Zimmer, dass "ihre" Interessen widerspiegelt. Denn sonst ist man ja "out", klar.
Ich will nichts beschönigen, bei mir war es damals nicht anders. Aber vor ungefähr eineinhalb Jahren habe ich begriffen, was da gespielt wird. Und jetzt ist mein Zimmer wirklich ein Spiegel meiner selbst.
Die Bücher habe ich nicht weggeworfen. Im Gegenteil, ich habe mich gefreut, als Elli mir vorhin einen Stapel Kinderbücher ins Zimmer gestellt hat. Wahre Klassiker sind dabei! Ich habe ein Regalbrett nur voll mit Kinderklassikern.
Natürlich habe ich auch noch jede Menge anderer Bücher. Katrin und Elli wäre das peinlich, denn Lesen ist doch keine Beschäftigung für einen echten Teenager!
Musik spielt für mich selbstverständlich auch eine Rolle. Wie Elli und Katrin höre ich auch alles, was die Charts an guten Sachen hergeben.
Aber ich interessiere mich auch für Jazz und Klassik. Da können die beiden nur die Nase rümpfen. Besonders gefallen mir diese Kinderkassetten, die von einem bestimmten Komponisten handeln. Da lernt man auch mit achtzehn noch viel von!
Elli kommt sich toll vor, weil sie Filmposter an den Wänden hängen hat statt den Backstreet Boys. Dabei hat sie nur Poster, auf denen Tom Hanks oder Hugh Grant abgebildet sind. Sie schwärmt für beide.
Wie meine Zimmerwände aussehen? Ich habe Kinderzeichnungen von Lena, meiner Cousine Anni und mir, Graphiken von talentierten Freunden, Fotos von Freunden und der Familie und witzige Werbeplakate. Über dem Schreibtisch hängt ein Bilderbuchkalender. Ich liebe Bilderbücher und habe schon eine kleine Sammlung.
Mein Bett ist voll von Kuscheltieren! Sie sind so niedlich und erinnern mich an viele Momente von früher und an die Leute, die sie mir geschenkt haben.
Ein kleiner Maulwurf ist auch dabei. Den hat mir mein Freund zum Geburtstag geschenkt. Keinem von uns ist das peinlich.
Trotz all dieser Vorlieben sind wir beide keine "Outsider". Im Gegenteil, ich kenne viele Leute in meinem Alter mit denselben Interessen. Deren Zimmer sehen allerdings nicht genauso aus wie meines, denn in "unserem Alter" differenziert man stärker.
Die Zimmer von Elli und Katrin sehen aus wie die aller ihrer Altersgenossen. Aber sie finden es ja so wahnsinnig individuell!
Nein, meine Lieben, vergesst den Abschied vom Kinderzimmer.

Ihr seid noch lange nicht draußen.

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