Jugend schreibt

Mut, Idealismus und Kraft

Der Alibaba-Verlag lud auch dieses Jahr seine JungautorInnen ein, 
heuer anläßlich der neuen Anthologie "Nie mehr Kinderzimmer".
Ein Bericht von Anna Riegel

Was denken wir Jungautoren über die Welt der Literatur? Daß die Verleger sich nicht dafür interessieren was geschrieben wird und wie es geschrieben wird, sondern nur wie es sich verkauft? Und daß die Lektoren sich nicht für den Inhalt interessieren, sondern nur dafür, ob alle Kommas richtig gesetzt sind? Das mag schon sein – aber verliert nicht den Mut, denn es gibt zumindest eine Ausnahme: den Alibaba-Verlag.

Alibaba existiert seit 1980 und ist immer politically correct geblieben, vielleicht ist er deshalb nie ein Koloss wie Rowohlt geworden – es wird jedoch gemunkelt, daß die großen Verlage mit einem Auge immer beobachten, was Alibaba gerade macht. Und was hat Alibaba gemacht? Vor einigen Jahren zum Beispiel, als der Rassismus in Deutschland wieder zugenommen hat, hat Alibaba verschiedene Verlage vereint, um gemeinsam die Protestanzeige "Für alle die Beifall geklatscht hätten, wenn in Deutschland wieder Menschen verbrannt worden wären" zu veröffentlichen, und das ausgerechnet im Springer-Verlag. Stark!

Anläßlich der neuen Anthologie "Nie wieder Kinderzimmer", die im August erscheinen wird, wurden wir jungen AuorInnen  nach Frankfurt eingeladen, um uns alle zu treffen und Anne und Abraham Teuter persönlich kennenzulernen. Wie also sind sie, diese idealistischen Verleger?

Er ist ein Bär in Jeans und T-Shirt, rund, mit schwarzem Bart und Locken, der dich mit einem Lächeln empfängt, das dir sofort ein Gefühl von Herzlich Willkommen gibt. Er erinnert mich ein wenig an einen Erzieher aus meinem antiautoritären Kindergarten Ende der Siebziger, der immer Gitarre gespielt hat. Sie, mit kurzen, weißen Haaren, in schwarzem Hemd, pinkem Rock und 60er-Jahre-Schuhe, weiß sofort wer was geschrieben hat, und für welche Anthologie. Nachdem wir zu siebzehnt sind und aus den verschiedensten Orten von Wien bis Hamburg kommen, ist das nicht gerade einfach. 


Anne und Abraham Teuter

Hund Trotzky, die zwei Katzen und die zwei Kaninchen fühlen sich offensichtlich nicht gestört, nur ihre vier Kinder sind nicht gerade begeistert davon, daß wir im Begriff sind, Wohnzimmer und Küche zu besetzen. Ja, wirklich: die Teuters haben uns zu sich nach Hause eingeladen und versorgen uns auch gleich mit libanesischem Essen. Herr Teuter erzählt, daß er in einer Gesamtschule unterrichtet und sagt mit einem Lächeln: Mir fehlt eine Oberstufe, und darunter habt ihr jetzt zu leiden." 

Später ziehen wir auf die Dachterasse um, um uns besser kennenzulernen, um zu reden und um die Gelegenheit beim Schopf zu packen und einen Verleger aus Fleisch und Blut all das zu fragen, was wir schon immer wissen wollten. Zum Beispiel: "Nach welchen Gesichtspunkten entscheiden Sie, welche Manuskripte sie ablehnen und welche veröffentlichen? 


Sonnenuntergang 
auf der Dachterasse

"Wenn ich richtig verstehe, möchten Sie gerne wissen, wie ich es mir erlauben kann, die Kreativität der Autoren zu zensieren, Sie haben das nur ein wenig netter ausgedrückt, oder?" Er grinst. "Also, zuerst einmal dürfen Sie nie vergessen, daß der Lektor Sie vor einem Haufen Schrott bewahrt, vor allem vor peinlichen Gefühlsoffenbahrungen. Was die Verantwortung angeht: die habe ich nie als Last empfunden, auch weil der Verlag klein ist, und die Entscheidung welches Manuskript veröffentlicht wird, hm... es gibt natürlich Kriterien, aber es ist auch eine subjektive Entscheidung."
Wir sind beeindruckt von seiner Ehrlichkeit, und davon, daß er sich nicht als großer Meister aufspielt, so geraten wir nicht in Verlegenheit und um zwei Uhr nachts haben wir das Gefühl, wir würden uns alle schon seit Ewigkeiten kennen. Mit dem Volvo bringt er uns, Fahrt um Fahrt, zur Buchhändlerschule, wo für uns Zimmer angemietet sind.

Freitags wird gearbeitet. In der Schule, in der Herr Teuter unterrichtet, setzen wir uns in ein Klassenzimmer und jeder liest den eigenen Text laut vor. Dann schweigt er und hört der folgenden Diskussion zu, und schließlich sagt der Verleger und Lektor seine Meinung. "Alles was ich sage, sind nur Vorschläge", meint er, "das letzte Wort habt ihr. Das mache ich so, um das Wesentliche eurer Literatur nicht kaputtzumachen: die Jugendlichkeit. So arbeite ich übrigens mit allen: bei mir haben die Autoren oder Übersetzer immer das letzte Wort." Und wirklich, die Diskussionen drehen sich um Inhalte, Stilmittel, Textrhythmus und um die Empfindungen, die ein Text im Leser weckt – und Herr Teuter bewertet nicht. Stattdessen bietet er uns Ideen, Anreize und Möglichkeiten an. Er sieht auch die Menschen hinter den Texten, läßt jedem seinen eigenen Stil.
In der Gruppe gibt es keine Konkurrenz, wir gehören irgendwie zusammen, und es ist faszinierend, was man alles aus einem Thema machen kann: Geschichten über die Freiheit, den Tod der Eltern und die Liebe, darüber, in andere Länder zu gehen, selbst Kinder zu bekommen, über die erste eigene Wohnung und sogar über IKEA. Lange und kurze Geschichten, Geschichten, die uns zum Lachen, Nachdenken oder Weinen bringen, wirklich, wir haben sogar geweint. Und wir sind alle der gleichen Meinung: ein Text ist dann gut, wenn er im Leser Gefühle auslöst.

Abends fahren wir wieder zu Teuters nach Hause, Frau Teuter kocht persisch für uns, schenkt uns Bücher und einem Mädchen sogar ein wunderschönes Kleid, und wieder reden wir bis ein Uhr morgens.

Samstags müssen die ersten Abreisen, das Treffen ist zu Ende. Ein paar von uns fahren aber nochmal zu Teuters, die uns zum Frühstück eingeladen haben; wir schenken Ihnen eine Sonnenblume und eine Karte mit folgendem Text: 


Wir hängen in den Seilen

"Zum Dank, daß Sie unserer Invasion standgehalten haben. Im Moment hängen wir so in den Seilen, daß uns nicht einmal mehr ein kreativer Kartentext einfällt, aber auf lange Sicht werden wir sicher von diesem Treffen profitieren. Wir würden gerne weiter von Ihnen gefördert werden würden (Sie sehen, wir haben es nötig) und wünschen Ihnen, daß sie Ihren Idealismus, Ihren Mut und Ihre Kraft nie verlieren. Herzliche Grüße von allen, die an diesem Treffen teilgenommen haben."

Teuters sind gerührt, und als wir abfahren, umarmen sie uns allesamt; dieses Gefühl von traurigem Abschied nach nur drei Tagen ist merkwürdig. Ein wenig zwischen lachen und weinen, vielleicht weil etwas wichtiges geschehen ist.

[Lernen Sie die AutorInnen kennen!]

 


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